Veranstaltung: | Wahlprogramm Regionalverband |
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Tagesordnungspunkt: | 4. Wahlprogramm für den Regionalverband Saarbrücken |
Antragsteller*in: | Kreisvorstand (dort beschlossen am: 12.01.2024) |
Status: | Angenommen |
Themenbereich: | Wahlprogramm |
Antragshistorie: | Version 3 |
RV-K-01: Kultur
Text
Kultur schafft Gemeinsamkeit
Der Regionalverband Saarbrücken ist ein wichtiger kulturpolitischer Akteur in
unserer Region. Die etablierten Veranstaltungsreihen "Sonntags ans Schloss",
"Comedy im Frühling und Herbst" und "Kultur für Kids", das Historisches Museum,
viele weitere Comedy- und Theateraufführungen im Schlosskeller, herausragende
Konzertveranstaltungen im Festsaal, Lesungen, Kulturpreise, das Schlossgespenst,
die Unterstützung besonderer Kulturorte, die Barockstraße SaarPfalz, die
Wiederbelebung der regionalen Jakobswege – das sind die vielen Beispiele dafür,
wie der Regionalverband das kulturelle Leben in unserer Region mitgestaltet und
für die Menschen erfahrbar macht. Wir GRÜNE unterstützen diese vielfältigen
Ansätze und sehen darin einen wichtigen Beitrag zur Lebensqualität und zum
gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserer Region. Wir setzen uns dafür ein, das
kulturelle Profil unserer Region zu stärken und weiter zu entwickeln.
Neben der Bewahrung unseres kulturellen Erbes muss es auch genügend Raum für
neue und diverse kreative Ausdrucksweisen geben. Wir wollen dafür sorgen, dass
die Bedürfnisse und Herausforderungen der Künstlerinnen und Künstler
wahrgenommen und die Weichen für eine aktive Gestaltung einer zukunftsfähigen
und attraktiven regionalen Kulturszene gestellt werden.
In einem grünen Regionalverband
- soll Kultur zur kommunalen Pflichtaufgabe werden.
- ist Kultur für alle bezahlbar.
- wird die Förderung von lokalen Akteuren und der freien Szene ausgebaut und
langfristig gesichert.
- stehen genügend Räume für Kunst und Kultur zur Verfügung.
- sind Bibliotheken Orte der Begegnung.
- spielen kulturelle Bildung, der deutsch-französische Kulturaustausch eine
wichtige Rolle.
- werden z.B. Musikvereine, Chöre und Laienspielgruppen nachhaltig
unterstützt.
- wird Erinnerungskultur großgeschrieben.
Kultur muss kommunale Pflichtaufgabe werden
Die finanziellen Mittel, die dem Regionalverband für seine engagierte
Kulturarbeit zur Verfügung stehen, sind begrenzt. Sie konkurrieren stets mit
anderen wichtigen Aufgaben und sind in Zeiten knapper Kassen immer in Gefahr,
als haushaltspolitischer Steinbruch missbraucht zu werden. So selbstverständlich
wie Schule und Bildung muss auch Kultur eine kommunale Pflichtaufgabe werden.
Konkret heißt das, wir
- setzen uns für die Förderung der Kreativwirtschaft, der kulturellen
Bildung und der kulturellen Teilhabe als kommunale Pflichtaufgabe ein.
Wir wollen eine Kultur-Tafel!
Der Regionalverband Saarbrücken ist nicht nur ein kulturpolitischer Akteur,
sondern mit dem Jobcenter und seinem Sozialamt auch ein wichtiger sozialer
Träger. Hinzu kommt die beim Regionalverband angesiedelte Volkshochschule als
zentraler Pfeiler der Erwachsenenbildung. Der Regionalverband bietet daher gute
strukturelle Voraussetzungen, um auch in unserer Region endlich eine Kultur-
Tafel aufzubauen.
Kultur-Tafeln sind analog zu Lebensmittel-Tafeln eine Plattform, auf der
Veranstalter, aber auch Privatpersonen überzählige Karten für kulturelle
Angebote anbieten können. Dort registrierte Personen können sich dann aus einem
Pool bedienen. Kultur-Tafeln ermöglichen so einkommensschwachen Menschen einen
leichteren Zugang zu Kultur. Denn ebenso wenig, wie überzählige Lebensmittel
weggeworfen werden sollten, sollen freie Plätze in Konzerten, Theatern, Kinos
und anderen Kultur-Veranstaltungen nicht ungenutzt bleiben! Einige deutsche
Kommunen bieten schon eine Kultur-Tafel an und nutzen dafür verschiedene
Modelle. Wir setzen uns dafür ein, dass der Regionalverband in Zusammenarbeit
mit dem Jobcenter, dem Sozialamt, der Volkshochschule und seinen angehörigen
Städten und Gemeinden auch in unserer Region eine Kultur-Tafel auf den Weg
bringt und unterstützt.
Konkret heißt das, wir
- sorgen dafür, dass freie Plätze für kulturelle Angebote nicht einfach
ungenutzt bleiben, sondern einkommensschwachen Menschen in unserer Region
über eine Kultur-Tafel zur Verfügung gestellt werden.
Förderung lokaler Veranstalter, Spielstätten und freier Szene
Die Nachwehen der Corona-Pandemie sind auch im Kulturbereich immer noch deutlich
spürbar. Zum einen herrscht eine starke Zurückhaltung beim Kartenvorverkauf. Zum
anderen sind die finanziellen Rücklagen vieler Veranstalter weitgehend
aufgebraucht. Vor allem kleinere Veranstalter, die seit Jahren kostbare
kulturelle Nischen bespielen, sind ernsthaft bedroht.
Häufig ist die Förderung von Spielstätten und Ensembles zeitlich sehr eng
begrenzt und muss alle Jahre wieder neu beantragt werden. Das erschwert
längerfristige Planungen und kontinuierliches kreatives Arbeiten. Längere
Förderperioden, z.B. für den Zeitraum einer Wahlperiode der Regionalversammlung,
würden die Situation der freien Szene und unabhängigen Spielstätten deutlich
erleichtern und stabilisieren.
Konkret heißt das, wir
- setzen uns dafür ein, lokale Veranstalter finanziell und ideell stärker zu
unterstützen, um damit einen Beitrag zum Erhalt der kulturellen Vielfalt
zu leisten.
- machen uns dafür stark, die Förderung von Spielstätten, Proberäumen und
Ateliers, von Projekten und festen Ensembles der freien Szene ausgebaut
und längerfristig abzusichern.
Räume für Kunst und Kultur schaffen
Ohne entsprechende Räume kann es keine Kultur geben. Wir möchten der Kunst- und
Kulturszene den Raum geben, den sie verdient.
Das Netzwerk „Freie Szene Saar“ sucht im ganzen Land Orte, die ihnen
Spielmöglichkeiten bieten. Beim Ministerium für Bildung und Kultur des
Saarlandes besteht eine Gastspiel-Förderung, die für Veranstaltungen der freien
Szene genutzt werden kann. Kommunale Kulturträger sollten diese Möglichkeit zur
Zusammenarbeit nutzen.
Konkret heißt das, wir
- sorgen dafür, dass die bestehenden Bühnen und Ausstellungsorte auch
Ateliers und Proberäume erhalten und aufgewertet und barrierefrei werden.
- setzen uns dafür ein, dass alte, ungenutzte Bausubstanzen aus
industrieller Zeit, alte Bahnhöfe, ehemalige Gasthäuser oder nicht mehr
genutzte Kirchen aufgewertet und der Kunst- und Kulturszene zugänglich
gemacht werden und so außergewöhnliche Orte der Begegnung und des
Miteinanders entstehen können.
- fördern mehr künstlerische Akzente im öffentlichen Raum, damit Kunst und
Kultur ein fester Bestandteil im Alltag wird (Kunst im öffentlichen Raum).
Bibliotheken zu Begegnungsorten machen
Im Regionalverband Saarbrücken befindet sich ein dichtes Netz öffentlicher
Bibliotheken. Wir setzen uns dafür ein, diese Bibliotheken zu Begegnungsorten zu
machen. Denn Bibliotheken können mehr sein als reine Medien-Ausleihstellen.
Bibliotheken sind öffentliche Räume, deren Potenzial bisher durch eng begrenzte
Öffnungszeiten stark eingeschränkt wird. Wir wollen daher die Träger von
Bibliotheken im Regionalverband dabei unterstützen, die Nutzung unserer
Bibliotheken durch entsprechende technische Ausstattung (Kameras, Selfservice-
Software-Lösungen) auch ohne Personal zu ermöglichen, wie es in Skandinavien
schon länger erfolgreich praktiziert wird. Außer persönlicher Beratung wäre dann
auch am Abend und am Wochenende alles möglich: Bücher ausleihen, Zeitschriften
und Bücher lesen, Spiele spielen oder sich einfach nur in der Bibliothek
aufhalten und sich treffen.
In Ausstattung und Angebot der öffentlichen Bibliotheken im Regionalverband gibt
es große Unterschiede zwischen der Landeshauptstadt Saarbrücken und den Städten
und Gemeinden im Umland. Während die Bibliotheken in der Stadt Saarbrücken neben
einem umfangreichen Präsenzangebot auch im digitalen Bereich (OnleiheSaar,
FilmfriendSaar) gut aufgestellt sind, sucht man digitale Angebote in einigen
anderen angehörigen Kommunen vergebens. Das hat seinen Grund auch darin, dass
einige Bibliotheken im Bereich des Regionalverbands - nämlich die Stadtbücherei
Friedrichsthal und die Gemeindebüchereien Quierschied und Riegelsberg-
Walpershofen - immer noch nicht dem Saarland-Bibliotheken e.V. angehören.
Konkret heißt das, wir
- wollen, dass unsere Büchereien durch ein „Open Library-Konzept“ zu echten
Begegnungsstätten werden.
- setzten uns dafür ein, dass auch kleinere kommunale Bibliotheken Mitglied
im Saarland-Bibliotheken e.V. werden können und ihre Nutzer dadurch an der
OnleiheSaar und anderen digitalen Angeboten teilhaben können.
Förderung der Breitenkultur
Musikvereine und Laienorchester, Chöre und Theatergruppen, Lesezirkel, freie
Kunstschulen und soziokulturelle Zentren schaffen kulturelle Angebote in der
Breite der Gesellschaft, wirken sozial integrierend und tragen zu einer offenen,
pluralen und demokratischen Gesellschaft bei. Darüber hinaus bilden sie den
Nährboden, aus dem die Talente von Morgen erwachsen. Allerdings macht sich auch
hier der demographische Wandel bemerkbar. Vereine lösen sich mangels Masse auf,
finden keine Vorsitzenden mehr oder haben Probleme, kompetentes Personal für die
künstlerische Leitung zu finden.
Konkret heißt das, wir
- unterstützen Vereine und Gruppen bei der Suche nach geeigneten Räumen und
bei der technischen Ausstattung gemeinsam mit Städten und Gemeinden durch
eine digitale Plattform.
- fördern Kooperationen mit anderen Vereinen, mit Schulen und
Nachbargemeinden.
- initiieren eine bessere Zusammenarbeit mit den künstlerischen Hochschulen.
Musikschulen im Regionalverband stärken
Im Regionalverband ist die Versorgung mit Musikschulen in den einzelnen Kommunen
sehr unterschiedlich. Während es in der Landeshauptstadt sowie in Sulzbach,
Püttlingen und Kleinblittersdorf ein sehr gutes Angebot in kommunaler
Trägerschaft gibt, findet man in anderen Kommunen Musikvereine oder kleine
private Musikschulen mit einem eingeschränkten Angebot. In einigen Gemeinden hat
man schlicht keine Möglichkeit, bestimmte Instrumente zu lernen.
Gute Standards des Musikschulangebots sind im gesamten Regionalverband zu
sichern. Wir fordern die Prüfung geeigneter Organisationsformen im
Regionalverband als Träger eines solchen Bildungsangebotes. Ähnlich wie die VHS
Saarbrücken könnten dabei zentrale und dezentrale Angebote sich ergänzen, eine
stabile Finanzierung über den Regionalverband ist zu gewährleisten.
Konkret heißt das, wir
• garantieren, durch eine regional-Musikschule, ein dezentral organisiertes
Unterrichtsangebot im gesamten Regionalverband unter Einbeziehung bestehender
Musikschulangebote in den einzelnen Kommunen. Ob man dieses oder jenes
Instrument lernt, hängt nicht länger vom Wohnort ab, da eine große Musikschule
nahezu alle Wünsche abdecken kann.
• ermöglichen, dass alle Musikschüler im RV an für sie passenden Zusatz-
Angeboten (Orchester unterschiedlichen Niveaus, Ensembles unterschiedlicher
Genres, Bands, Theorie-Kurse, ...) teilnehmen können. Gerade die Möglichkeit in
passenden Ensembles spielen zu können, ist für viele Musikschüler ein wichtiger
Motivationsfaktor.
• erweitern die Möglichkeiten zur Kooperation der Musikschule mit Grundschulen
oder weiterführenden Schulen.
• geben mehr Musiklehrern die Möglichkeit, als Festangestellte in Vollzeit zu
arbeiten (statt wie bisher mit Honorarverträgen).
• sorgen für eine Angleichung der Lebensverhältnisse zw. Stadt und Land"
Deutsch-französischer Kulturaustausch
Den sprachlichen und kulturellen Austausch mit unserem Nachbarland Frankreich
halten wir für ein wichtiges Mittel, um die Kultur unserer Nachbarn besser
kennen und schätzen zu lernen. Darum wollen wir die grenzüberschreitende
Zusammenarbeit im Eurodistrict-Saarmoselle auch im Kulturbereich weiter
ausbauen.
Kulturelle Bildung
Kulturelle Bildung ist ein elementarer Bestandteil unseres Bildungssystems.
Dieser Anspruch reicht weit über den Lehrplan der musischen Unterrichtsfächer
hinaus und lässt sich am besten verwirklichen, wenn Kultur-Institutionen ihre
Türen für Schülerinnen und Schüler aller Altersgruppen öffnen und wenn Schulen
Kulturschaffende in ihre Klassenräume einladen. Für den Regionalverband als
Schulträger der weiterführenden Schulen darf dies nicht an den geringen Kosten
scheitern!
Konkret heißt das, wir
wollen Projekte der kulturellen Bildung möglich machen, etwa durch die
Erstattung von Fahrtkosten für den Theaterbesuch von Schulklassen oder die
Finanzierung von Dichter-Lesungen in Schulen.
Erinnerungskultur stärken
Die Erinnerungskultur ist ein wichtiger Eckpfeiler unserer Demokratie. Sie
fördert Toleranz und Miteinander. Gedenkstätten und Gedenkinitiativen müssen
auskömmlich finanziert werden. Unsere Aufmerksamkeit gilt in besonderer Weise
der Erinnerung an die Verfolgung und Vernichtung von Menschen in der Zeit des
Nationalsozialismus.
In den regionalverbandsangehörigen Städten und Gemeinden sind immer noch Straßen
und Plätze nach Personen benannt, deren geschichtliche Rolle aus heutiger Sicht
sehr fragwürdig erscheint. Wir wollen den kritischen Diskurs in der
Zivilgesellschaft über dieses Erbe anregen und offensiv führen.
Konkret heißt das, wir
unterstützen Initiativen, die vor Ort das Gedächtnis auch an einzelne
Menschen wachhalten, die auf lokaler Ebene die Geschichte des NS-Terrors
aufarbeiten und die sich gegen das Vergessen engagieren,
ermuntern alle Städte und Gemeinden im Regionalverband, ein digitales
Gedenkbuch einzurichten, wie es von der Stadt Saarbrücken bereits als
innovativer Weg der Erinnerungskultur eingerichtet wurde.