Veranstaltung: | Wahlprogramm Regionalverband |
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Tagesordnungspunkt: | 4. Wahlprogramm für den Regionalverband Saarbrücken |
Antragsteller*in: | Kreisvorstand (dort beschlossen am: 12.01.2024) |
Status: | Eingereicht |
Themenbereich: | Wahlprogramm |
Antragshistorie: | Version 2 |
RV-So-01: Soziale Gesellschaft
Text
Solidarische Gesellschaft - Auf Augenhöhe miteinander Leben
Im Regionalverband kommt es darauf an, die verschiedenen Perspektiven zu
berücksichtigen und niemanden zu ignorieren. Wir stehen für Politik auf
Augenhöhe, die Anregungen aufnimmt und Kritik konstruktiv begegnet. Wir wollen
Bürger*innen ermöglichen Verantwortung für ihre Umgebung und unseren
Regionalverband zu übernehmen. Unser Ziel ist ein menschenfreundlicher
Regionalverband in dem ein tolerantes Klima für Menschen jeder Hautfarbe,
geschlechtlicher Orientierung, kultureller und/oder sozialer Herkunft sowie
Lebenssituation herrscht. Physische oder kommunikative Barrieren, die Menschen
beeinträchtigen, sollen im Regionalverband so bald wie möglich abgebaut sein.
Von einem solchen Regionalverband profitieren nicht nur Menschen mit
Einschränkungen, sondern alle (Familien, Kinder, Senior*innen…). Die vielen
ehrenamtlich Aktiven, sind eine tragende Säule, die unsere Gesellschaft
bereichert und unterstützt. Deshalb wollen wir unsere Vereine und Ehrenamtlichen
durch gute Rahmenbedingungen weiter stärken und wertschätzen.
Armut und sozialer Ungleichheit wollen wir wirksam begegnen. Armut zeigt sich
häufig in einem Mangel an sozialer Teilhabe, sie zieht oft schlechtere
Bildungschancen nach sich und beeinflusst die Möglichkeiten, geeigneten Wohnraum
zu finden. Diese Probleme hängen teilweise zusammen und verstärken sich
gegenseitig. Die Folgen widersprechen unserem Verständnis von Gerechtigkeit.
Daher müssen wir das Thema Armut weiter intensiv angehen. Das bedeutet einen
stärkeren Fokus auf Bereiche mit höheren Armutsquoten zu legen und dort gezielt
die Lebensqualität zu steigern. Dieser Ansatz zieht sich durch unser gesamtes
Wahlprogramm.
In einem grünen Regionalverband
- ist der Platz für ein friedliches und tolerantes Miteinander von Menschen
jeglicher Hautfarbe, geschlechtlicher Orientierung, kultureller und/oder
sozialer Herkunft und Lebenssituation.
- fördern wir durch Gemeinwesenarbeit Hilfe zur Selbsthilfe und
gesellschaftliche Teilhabe
- ist soziale Teilhabe für alle möglich und unabhängig vom Geldbeutel.
- gibt es bezahlbaren Wohnraum für alle.
- ist Migration nicht nur ein Menschenrecht, sondern wird als Bereicherung
für unsere Gesellschaft gesehen.
- ist echte Inklusion Realität.
- sind alle Geschlechter gleichgestellt.
- gibt es ein lebendiges und vielfältiges Ehrenamt.
Kein Platz für Rassismus und Menschenfeindlichkeit/"Nie Wieder" ist heute!
Wir stehen für eine Gesellschaft, in der alle frei und selbstbestimmt so leben
können, wie sie das möchten. Zur Realität gehört aber auch: Auf dem Weg zu
diesem Ideal einer offenen Gesellschaft stehen viele Hürden im Weg. Die
kommunale Ebene kann viel dazu beigetragen, dass diese Hindernisse überwunden
werden. Damit das funktioniert, ist es wichtig, verschiedene Perspektiven ernst
zu nehmen und zu berücksichtigen. Perspektiven die so vielfältig sind wie die
Bürger:innen selbst. Am besten gelingt das, wenn Menschen miteinander ins
Gespräch kommen und ihre Perspektiven konstruktiv austauschen können.
Gemeinwesenarbeit und soziale und demokratiestärkende Projekte, die oft von
engagierten Freiwilligen begleitet und durchgeführt werden tragen dazu bei.
Ihnen müssen wir den Rücken stärken und sie von Bürokratie entlasten. Der Schutz
und die Stärkung unserer Demokratie ist für uns von zentraler Bedeutung - damit
"Nie wieder" auch heute Realität bleibt.
Konkret heißt das, wir
- machen uns dafür stark, dass Projekte gegen Rassismus und
Menschenfeindlichkeit und für Toleranz noch stärker gefördert und
ausgebaut werden.
- setzten uns für stärkere Demokratiebildung, beispielsweise in
Zusammenarbeit mit den weiterführenden Schulen ein.
- initiieren Sozialraumkonferenzen, die die Menschen vor Ort
zusammenbringen, um besondere Bedarfe zu ermitteln und auf diese
einzugehen.
- stärken die Quartiersarbeit sowohl in der Stadt als auch im Umland.
- machen die Ehrenamtskarte bekannter und gestalten sie zusammen mit
Kommunen und Unternehmen noch attraktiver.
Solidarische Gesellschaft - auf Augenhöhe
Gute Lebensbedingungen sollen im Regionalverband für alle Menschen verfügbar
sein. Einen wichtigen Beitrag dazu leistet die Gemeinwesenarbeit (GWA). Sie
setzt bei den Menschen vor Ort an und leistet Hilfe zur Selbsthilfe, in dem sie
Brücken zwischen den Menschen und Gruppen in einem Ort baut und leicht und
unkompliziert durch den Bürokratiedschungel der vielfältigen Angebote und
Unterstützungsleistungen begleitet. So kann verhindert werden, dass die
vorhandenen Unterstützungsleistungen nicht oder viel zu spät in Anspruch
genommen werden, und Menschen immer tiefer in eine Spirale aus Armut und
Resignation gelangen und der Weg heraus immer schwieriger wird.
Außerdem sorgt die Gemeinwesenarbeit dafür, dass demokratische, aktive Teilhabe
an der Gesellschaft zur erlebbaren Realität der Menschen vor Ort wird und stärkt
so unsere Demokratie.
Konkret heißt das, wir
- machen uns dafür stark, dass Gemeinwesenprojekte finanziell besser
ausgestattet und langfristiger aufgestellt werden. Damit mehr Zeit für
Beratungs- und Unterstützungsleistungen bleibt.
- wollen, dass Gemeinwesenarbeit in der Fläche weiter ausgedehnt wird. Denn
gerade in einer älter werdenden Gesellschaft wird ein leichter Zugang zu
Angeboten vor Ort immer wichtiger.
Soziale Teilhabe darf nicht von den Finanzen abhängen
Bei Teilhabe darf es nicht nur um finanzielle Mittel gehen, sondern auch um
Teilhabe an Kultur, Bildung und Sport. Ob soziale Teilhabe möglich ist, ist
derzeit oft unmittelbar vom Geldbeutel abhängig. Geldmangel heißt dabei häufig,
einsam und zurückgezogen leben zu müssen, weil andere Grundbedürfnisse vorrangig
sind.
Wir wollen Projekte initiieren, die es Kindern und Jugendlichen aber auch
Senior*innen mit einem geringen Einkommen ermöglichen, aktiv am Vereinsleben
teilzunehmen. Sport im Verein bedeutet gerade für Menschen, die nicht oder nur
sehr eingeschränkt am Erwerbsleben teilnehmen, eine Möglichkeit, in der
Gemeinschaft Sport zu treiben und andere Menschen zu treffen.
Der zunehmenden Vereinsamung wollen wir mit dem Ansatz der aufsuchenden Hilfen
entgegentreten. Dabei erhalten Menschen die potenziell einsamkeitsgefährdet sind
direkte Kontaktangebote.
Konkret heißt das, wir
- werden barrierefreie Projekte gegen Einsamkeit (beispielsweise Sport- und
Kulturangebote) fördern.
- setzen uns dafür ein, dass der Zugang zu Vereinen, Vereinssport und
außerschulischer Bildung nicht an einem sehr niedrigen Einkommen
scheitert.
- machen uns für eine Aufwertung der Sozialcard, den Ermäßigungsausweis für
Leistungsempfänger:innen, insbesondere im Bereich Mobilität stark.
- überzeugen die Kommunen, konsumfreie Räume zu schaffen.
- setzen uns dafür ein, dass Angebote der aufsuchenden Hilfe von jungen
Familien (Frühe Hilfen) auf armuts- und einsamkeitsgefährdete Menschen
ausgedehnt werden.
Eine humane Migrationspolitik bereichert den Regionalverband
Der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund ist im Regionalverband der
größte im Saarland. Die Gründe liegen in der Gegenwart und in der Vergangenheit.
Vor mehr als 50 Jahren kamen Menschen aus Italien, der Türkei und sogar
Brasilien als Gastarbeitende. Viele blieben und sind heute wie damals ein
wertvoller Teil unserer Gesellschaft. In den letzten Jahren wurden viele
Menschen wegen Krieg und Vertreibung aufgenommen. Das ist zunächst einmal eine
humanitäre Leistung und ein Gewinn für die kulturelle Vielfalt unserer Region
und bietet wichtige Potentiale für Wirtschaft und Arbeitsmarkt in einer
alternden Gesellschaft. Zugleich ist die Integration von Migrantinnen und
Migranten aber auch eine stete Herausforderung für die Kommunalpolitik. Die
Unterstützungsangebote müssen der hohen Nachfrage dringend angepasst werden.
Insbesondere bei Diskriminierungserfahrungen brauchen migrantische Menschen
niedrigschwellige Angebote.
Konkret heißt das, wir
- schaffen dezentrale Anlaufstellen nach Vorbild des Welcome Centers an der
Saar-Uni, die bei der Wohnungs- und Arbeitssuche unterstützen und eine
Willkommenskultur vermitteln. Die Anlaufstellen sollen im Umland und in
der Landeshauptstadt angesiedelt sein
- fördern migrantische Selbstorganisation.
- machen uns für eine Ausländerbehörde in Saarbrücken mit vollem
Leistungsangebot stark.
- fördern diskriminierungssensible und interkulturelle Bildungsangebote.
Wohnungslosigkeit vermeiden/bezahlbaren Wohnraum schaffen
Immer mehr Menschen haben Probleme, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Hier
politisch entgegenzusteuern gehört zu den größten Herausforderungen des 21.
Jahrhunderts. Während einige Umlandgemeinden im eher ländlicheren Raum mit
Leerständen zu kämpfen haben, spitzt sich die Situation am Wohnungsmarkt in den
urbanen Gegenden des Regionalverbandes zu. In den Städten verschärft eine
steigende Obdach- und Wohnungslosigkeit die Lage. Daher wollen wir den sozialen
Wohnungsbau massiv vorantreiben und ungewollte Obdach- und Wohnungslosigkeit
konsequent bekämpfen. Wenn Menschen ihre Wohnung verlieren, geht das oft mit
großen persönlichen Rückschlägen einher. Ein Befreien aus diesem Zustand aus
eigener Kraft erscheint oft unmöglich. Wer die Wohnung verliert, verliert oft
auch Freunde und die Arbeitsstelle.
Konkret heißt das, wir
- bringen das gelebte Bauland-Modell der Landeshauptstadt in die
Umlandgemeinden. Das Bauland-Modell schreibt ab einer bestimmten Anzahl
von gebauten Wohnungen eine Quote für sozialen und preisgünstigen Wohnraum
vor. Wir setzen uns dafür ein, dass die Kommunen im Regionalverband diese
Quoten perspektivisch einführen bzw. erhöhen.
- bauen ein Leerstandsmanagement auf und initiieren eine Wohnungstausch-
Börse.
- bauen das Projekt „Wohnraumaquise“ weiter aus, wodurch das Angebot an
sozialgebundenem Wohnraum im Bestand erhöht wird.
- wollen das „Bündnis für bezahlbares Bauen und Wohnen im Regionalverband“
wiederbeleben, und die im „Letter of Intent“ formulierten Leitsätze zu
konkreten Handlungsansätzen weiter entwickeln.
- schaffen eine zentrale Beratungsstelle, die präventiv wirken soll, um
ungewollte Wohnungslosigkeit zu verhindern.
- schaffen zusammen mit den Kommunen mehr Treffpunkte für Wohnungslose.
- bauen die Förderung der Schuldnerberatung aus, um präventiv extreme Armut
zu vermeiden. Vor allem Angebote für junge Erwachsene, die durch
Rechnungskauf im Internet oder Handyrechnungen sich schon früh verschuldet
haben.
- setzen uns für eine aktive Unterstützung des Housing-first-Projekts ein.
Inklusion ist ein Menschenrecht
Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern gilt Deutschland als Schlusslicht
im Bereich Inklusion. Davon ist auch der Regionalverband nicht verschont. Kleine
Dinge, die für Menschen ohne Behinderung völlig normal sind, können Menschen mit
Behinderung vor große Hürden stellen und sie so im wahrsten Sinne behindern.
Insbesondere im Feld der Mobilität, also der Möglichkeit, sich fortbewegen zu
können, gibt es in der Praxis erhebliche Defizite. Dabei kann unsere
Gesellschaft viel von Vereinen und Initiativen von Betroffenen lernen, die daher
verstärkt in die kommunalpolitische Arbeit eingebunden werden müssen.
Konkret heißt das, wir
- setzen uns für eine:n hauptamtliche:n Behindertenbeauftragte:n im
Regionalverband ein.
- erstellen in Zusammenarbeit mit der/dem Behindertenbeauftragten sowie
Vereinen und Initiativen einen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-
Behindertenrechtskonvention.
- machen uns für flächendeckende Barrierefreiheit, insbesondere im ÖPNV, bei
öffentlichen WCs oder dem Zugang zu Gebäuden stark.
- wollen inklusive Projekte durch eine Förderung stärken.
Gleichstellung aller Geschlechter und Menschen unterschiedlicher sexuellen
Orientierungen verwirklichen
Obwohl formell gleichgestellt, sind auch noch heute Frauen in vielen Bereichen
unterrepräsentiert. Das wird sowohl am Arbeitsmarkt als auch in der
Kommunalpolitik deutlich. Studien zeigen, dass Frauen außerdem sowohl bei der
Stadtplanung als auch bei der Verkehrsplanung nicht selten regelrecht vergessen
werden. In Sachen Gleichstellung gibt es also noch viel zu tun und auch der
Regionalverband kann hier aktiv werden.
Auch häusliche Gewalt ist nach wie vor ein großes Problem, die Betroffenheit
steigt sogar.
Daneben haben auch queere Menschen, also Menschen, die nicht der
heteronormativen Gesellschaft entsprechen, mit Ungleichbehandlung und
Diskriminierung zu kämpfen. Wir denken daher Gleichstellung immer zusammen und
intersektional, denn Gleichstellung ist stets Querschnittsaufgabe.
Konkret heißt das, wir
- schaffen mehr Plätze in Frauenhäusern, um den Bedarf zu decken.
- werden Entscheidungen im Regionalverband auf Gleichstellungsaspekte - im
Sinne der im Land gestarteten Landesgleichstellungsstrategie, die dies
vorsieht - überprüfen.
- unterstützen die bestehenden Frauenprojekte und Beratungsstellen wie z. B.
Nele oder Aldona und stellen die Fortsetzung ihrer Arbeit sicher.
- machen uns für einen Frauenkonsumraum im Drogenhilfezentrum stark
- bekämpfen Periodenarmut, indem wir Menstruationsprodukte in allen
öffentlichen Toiletten bereitstellen
- unterstützen die Kommunen bei feministische Bauplanung, z.B. indem
Belichtung in Unterführungen oder Hotspots, vorangetriebenwerden
- werden auf die Gleichstellung aller Geschlechter und Menschen
verschiedener sexueller Orientierung hinwirken.
- unterstützen die queere Szene, Verbände und Initiativen.
- machen uns für eine:n Beauftragte:n für Belange von LGBTIQ+ stark.
Änderungsanträge
- Ä13 (Patrick Hahl (KV Saarbrücken), Erledigt durch anderen ÄA)