Veranstaltung: | Wahlprogramm Regionalverband |
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Tagesordnungspunkt: | 4. Wahlprogramm für den Regionalverband Saarbrücken |
Antragsteller*in: | Kreisvorstand (dort beschlossen am: 12.01.2024) |
Status: | Angenommen |
Themenbereich: | Wahlprogramm |
Antragshistorie: | Version 2 |
RV-W-01: Wirtschaft
Text
Ein Wirtschaftsstandort mit großem Potential
Der Wirtschaftsstandort Regionalverband Saarbrücken befindet sich in einer
grundlegenden Transformation. Klimaneutralität ist die große Chance für
unternehmerische Ideen und gute Arbeitsplätze in unserer Region. Auch die
demografische Entwicklung bringt ganz neue Herausforderungen an die Arbeitswelt
von morgen mit sich. Viele Unternehmen, Selbständige und Arbeitnehmer*innen
haben sich schon auf den Weg gemacht, wir wollen sie unterstützen. Gemeinsam
wollen wir eine sozial-ökologische Marktwirtschaft schaffen, die Wohlstand mit
Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit versöhnt. Dabei nehmen wir kleine und mittlere
Unternehmen, Handwerksbetriebe, Gründer*innen und Startups in unserer regionalen
Wirtschaft genauso wichtig wie den industriellen Kern.
Wir sehen die Transformation als Chance und Herausforderung zugleich. Unser
Regionalverband ist vielseitig, urban und ländlich zugleich. Er ist das
kulturelle, wissenschaftliche, wirtschaftliche und innovative Zentrum unserer
Region. Genau hier gilt es die sozial-ökologische Transformation voranzutreiben
und den Regionalverband zu einem Wirtschaftsstandort zu entwickeln, der sich am
Modell der nachhaltigen Entwicklung orientiert und einen
gesamtgesellschaftlichen Wohlstand schafft, der weder die Umwelt noch die
nächsten Generationen belastet.
In einem grünen Regionalverband
- wird Flächenrecycling betrieben, damit dringend benötigte Gewerbeflächen
zur Verfügung stehen ohne Flächen neu zu versiegeln.
- wird lebenslanges Lernen gefördert.
- bietet sich Fach- und Arbeitskräften eine Umgebung, die zum Herkommen und
Bleiben einlädt.
- herrscht ein attraktives Umfeld für inhabergeführte Unternehmen, Start-ups
und Investoren aus bestehenden und neuen Branchen.
- ist die Großregion ein gemeinsamer Wirtschaftsraum, der
grenzüberschreitenden Liefer- und Leistungsverkehrs praxistauglich
ermöglicht.
- erfolgt der Transfer von den wissenschaftlichen Leistungen unserer
Hochschulen in die regionale Wirtschaft optimal.
- laden ein vielfältiges Kulturangebot und eine schöne Landschaft zum Urlaub
ein.
Durch Flächenrecycling Gewerbeflächen schaffen
Der Regionalverband als Wirtschaftsstandort hat eine bewegte Geschichte.
Unternehmen, die noch vor wenigen Jahren das Gesicht der Region prägten, sind
verschwunden und Betriebe aus neuen Branchen haben sich angesiedelt. Die
Verfügbarkeit von Gewerbeflächen, die es Unternehmen erlauben zu wachsen, ist
ein wichtiger Standortfaktor. Im dicht besiedelten und stark versiegelten
Regionalverband sind geeignete Flächen Mangelware. Der Bergbau und stark
geschrumpfte Industriezweige haben Spuren hinterlassen, oft in Form von
Industriebrachen (sogenannten Brownfields), die nicht mehr genutzt werden und
teils mit Schadstoffen belastet sind. Diese Flächen gilt es zu revitalisieren,
um damit vorausschauend dringend notwendige Gewerbeflächen zu schaffen. In allen
möglichen Fällen muss hier das Verursacherprinzip greifen, um wieder zu
baureifen Grundstücken zu gelangen. Dabei werden wir uns auf allen politischen
Ebenen für die Einrichtung eines Fonds einsetzen, der es ermöglicht solche
Flächen bzw. Immobilien aufzukaufen und zu entwickeln.
Konkret heißt das, wir
- setzen uns für die Entwicklung von Förderprogrammen ein, die das
Flächenrecycling von Industriebrachen attraktiver machen.
- bringen ein Brownfield-Kataster für den Regionalverband Saarbrücken auf
den Weg.
- machen wir uns für die Einrichtung eines Brownfield-Fonds stark, mit dem
Brachflächen aufgekauft und entwickelt werden können.
- werben wir für ein "Versicherungsmodell" für private Investoren im Rahmen
von Flächenrecycling, damit diese nicht übermäßig durch die Angst vor
Altlasten von Investitionen abgehalten werden.
- werden wir darauf hinwirken, dass der Regionalverband als integrierter
Wirtschaftsraum verstanden wird, und Flächenpolitik nicht in den Grenzen
der einzelnen Kommune gedacht wird.
Fach- und Arbeitskräfte gewinnen
Gut ausgebildete und motivierte Fach- und Arbeitskräfte sind in den letzten
Jahren zum immer wichtigeren Kriterium für die Standortwahl geworden. Die
Wirtschaftsregion Regionalverband hat in dieser Hinsicht viel zu bieten. Geprägt
durch eine jahrzehntelange Industriekultur, stehen hier zahlreiche qualifizierte
Arbeitskräfte zur Verfügung, die auch Schichtarbeit kennen und sich beruflichen
Umbrüchen und Herausforderungen stellen. Auch in Zukunft müssen wir durch
gezielte Aus-, Weiterbildungs- und Umschulungsangebote sicherstellen, dass
Erwerbsbiografien nicht jäh enden. Vor allem Frauen üben ihre Berufstätigkeit
oft ungewollt in Form von Minijobs oder Teilzeitmodellen aus. Mit einem guten
Unterstützungsangebot wollen wir Mütter und zugewanderte Frauen bei der
Berufstätigkeit unterstützen und so Fachkräftereserven heben.
Qualifizierungskonzepte und die Steigerung der Erwerbsquote werden bei der
aktuellen demographischen Entwicklung nicht ausreichen, um den Bedarf an
Arbeitskräften zu decken. Dies wird nur durch Zuwanderung gelingen. Um diese
neuen Mitbürger hier halten zu können ist es wichtig, dass die Menschen, die
hier arbeiten, auch gerne hier leben.
Konkret heißt das, wir
- machen uns dafür stark, dass Aus- und Weiterbildungsangebote im Bereich
der Energie- und Wärmewende weiter ausgebaut werden.
- sorgen dafür, dass die regionale Beratungsstelle "Frau und Beruf" im
Regionalverband verstetigt und weiter ausgebaut wird, um den vorhandenen
Bedarf zu decken.
- machen den Regionalverband als Ausbildungs- und Arbeitsregion innerhalb
der EU bekannter und sorgen dafür, dass die Anstrengungen zur Gewinnung
und zur optimalen Integration von qualifizierten Zuwandernden deutlich
erhöht werden.
- initiieren und fördern nachhaltig Mentoring-Programme und
Lernpatenschaften für Schüler*innen aller Schulformen, damit niemand auf
dem Bildungsweg zurückgelassen wird.
- sorgen dafür, dass der Regionalverband ein Ort ist an dem Menschen gerne
leben und arbeiten.
Inhabergeführte Unternehmen und Start-ups stärken, Zukunftsbranchen fördern
Überall ist spürbar, dass die Art, wie wir produzieren und konsumieren, sich
rasant ändert. Sich schnell ändernde Märkte fordern und fördern die Entwicklung
von neuen Ideen und Innovationen in Form von konkreten Konzepten und technischen
Lösungen. Als Standort von sieben Hochschulen und weiteren wichtigen
Forschungseinrichtungen im Herzen von Europa hat der Regionalverband mit seiner
lebendigen Kultur- und Kreativszene und vielen, oft inhaber*innengeführten,
kleinen und mittleren Unternehmen sehr gute Voraussetzungen, um von diesen
Marktbedingungen zu profitieren.
Unser Ziel ist es, ein Klima zu etablieren, das mit Einbindung der Hochschulen
und der Kreativszene in der gesamten Wirtschaft nachhaltige Veränderungsprozesse
voranbringt und den Regionalverband Saarbrücken zu einem Ort macht, an dem die
Lösungen der Zukunft nicht nur erdacht, sondern auch realisiert werden.
Um Zukunftsentwicklungen aus der Forschung in die praktische Anwendung zu
überführen, wollen wir den Technologietransfer durch agile, kleinere und meist
inhaber*innengeführte Unternehmen und Start-ups in den Fokus stellen. Um der
Gründer*innen- und Start-up-Szene im Regionalverband in allen Phasen der
Unternehmensentwicklung gute Perspektiven zu bieten, braucht es ein noch
besseres Start-up-Ökosystem. Wir wollen die Nachbarschaft zu Frankreich und
Luxemburg nutzen, um den Standort bekannter zu machen und starke Netzwerke
aufzubauen. Wenn es um die Finanzierung von Start-ups geht, braucht es eine
deutlich bessere Anbindung an die großen, professionellen Kapitalgeber. Die
bisher regional agierenden Geldgeber (wie z. B. die Saarländische
Wagnisfinanzierungsgesellschaft) sind für zweite oder dritte Finanzierungsrunden
schlicht zu klein. Hier sollten Partnerschaften mit größeren Equity-
Gesellschaften gesucht werden. Mit einem nach Frankreich, Luxemburg und Belgien
ausgerichteten internationalen Start-up Kongress wollen wir einen Leuchtturm
etablieren, der den Regionalverband ins Scheinwerferlicht der Start-up-Szene
rückt.
In welchen Branchen die guten und sicheren Arbeitsplätze von morgen liegen,
lässt sich nur schwer abschätzen. Schon heute spielt aber die
Gesundheitswirtschaft im Regionalverband eine wichtige Rolle. Prävention und
Gesundheitsmanagement gewinnen in unserer Gesellschaft weiter an Bedeutung. Hier
gilt es auch weiterhin gute Rahmenbedingungen zu setzen und Einrichtungen mit
überregionaler Strahlkraft wie die Augenklinik Sulzbach und das Herzzentrum
Völklingen sowie erfolgreiche Pharma-Unternehmen, aber auch private Hochschulen
für Prävention und Gesundheitsmanagement oder den Olympiastützpunkt, zu nutzen,
um Cluster auf- und auszubauen.
Konkret heißt das, wir
- machen uns für inhaber*innengeführte Unternehmen und Betriebe stark und
bringen Unternehmer*innen und Forschende zusammen, um den
Technologietransfer in der Region zu stärken.
- initiieren einen international ausgerichteten Gründer*innen- und Start-up
Kongress, z.B. in der Völklinger Hütte, um die Aufmerksamkeit von
Investoren und Multiplikatoren zu gewinnen und unser Start-up Ökosystem zu
stärken.
- werden den Regionalverband als Zentrum der Kultur- und Kreativwirtschaft
etablieren,
- setzen uns im Rahmen der Wirtschaftsförderung dafür ein gute Bedingungen
für digitale und unternehmensnahe Dienstleistungen zu schaffen und aktiv
zu vermarkten.
- fördern die Gesundheitswirtschaft als Cluster.
Eine Region mit attraktiver Hochschullandschaft
Die Hochschullandschaft im Regionalverband Saarbrücken spielt eine entscheidende
Rolle in der sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung unserer
Region. Hochschulen sind nicht nur Orte des Wissenstransfers und der Forschung,
sondern auch Motor für Innovationen, Fachkräfteentwicklung und die Förderung von
kreativem Denken. Eine vielfältige und gut vernetzte Hochschullandschaft ist von
grundlegender Bedeutung, um die Zukunftsfähigkeit unserer Region zu
gewährleisten und junge Talente anzuziehen. Dabei betrachten wir nicht nur die
Universität, sondern auch die HTW, die Kunst- und die Musikhochschule sowie die
Deutsch-Französische Hochschule und die Hochschule für Prävention und
Gesundheitsmanagement. Diese Vielfalt wollen wir im Regionalverband stärken.
Konkret heißt das, wir:
- bringen Städte, Kommunen und unsere Hochschulen an einen Tisch, um
Entwicklungspotentiale optimal auszuschöpfen und voneinander zu
profitieren.
Europa wächst zusammen - Großregion als Wirtschaftsraum
In unserer Grenzregion ist Europa so unmittelbar zu erleben wie in kaum einer
anderen Region. Die Grenze existiert in vielen alltäglichen Situation nicht
mehr. Ob als Grenzpendler*innen in die Nachbarländer, beim privaten Einkauf, bei
Kulturveranstaltungen oder beim Schulbesuch - in vielen Bereichen leben wir ein
Europa. Wenn es aber um Lieferungen und Leistungen im jeweiligen Nachbarland
geht, ist es mit der Leichtigkeit oft vorbei. Meldepflichten machen es für
Betriebe und Unternehmen aufwendig, Lieferungen und Leistungen im direkten
Grenzgebiet zu erbringen. Vor allem für kleinere Betriebe werden
grenzüberschreitende Geschäfte unattraktiv, was faktisch ihr Kundengebiet
einschränkt. Wir finden: das ist nicht zeitgemäß. Eine enge wirtschaftliche
Zusammenarbeit in unserer Großregion darf nicht an übermäßiger Bürokratie
scheitern. Das enorme ökonomische Potential unserer Großregion muss sich in
einem geeinten Europa endlich unbürokratisch entwickeln können!
Konkret heißt das, wir
- wollen, dass die Großregion zur Pilotregion wird, in der der
grenzüberschreitende Liefer- und Leistungsverkehr deutlich
entbürokratisiert und damit gestärkt wird.
Vielfältige Tourismusregion Regionalverband
Mit dem Weltkulturerbe Völklinger Hütte, dem Biosphärenreservat Bliesgau, dem
Urwald vor den Toren der Stadt und dem vielseitigen kulturellen Angebot in der
und um die Landeshauptstadt Saarbrücken hat sich der Regionalverband in den
letzten Jahren immer mehr zum Touristenmagnet entwickelt. Selbst unsere
Hügellandschaft ist dank E-Bikes für viele kein Hindernis mehr.
Das vor kurzem vorgestellte saarländische Tourismusbarometer stellt fest, dass
der Tourismus auch als Wirtschaftsfaktor für den Wohn- und Standort wahrgenommen
wird. Kurz: Tourismus bringt nicht nur direkt über die Gäste Kaufkraft in die
Region, sondern hat auch mittelbar positive Effekte auf den Wirtschaftsstandort.
Wer den Regionalverband besucht und sich hier wohlfühlt, kann sich auch eher
vorstellen, hier zu leben, zu arbeiten, zu forschen oder gar zu investieren.
Das Tourismusbarometer hat darüber hinaus weitere Handlungsfelder aufgezeigt.
Eines davon ist die Bildung von branchenübergreifenden Kooperationen und
Austauschformaten mit interessierten Partner*innen. Die Empfehlungen gilt es
aufzugreifen und bei der Umsetzung zu unterstützen.
Konkret heißt das, wir
- setzen uns für eine zielgruppenorientierte Weiterentwickelung der
vorhandenen touristischen Angebote ein.
- fördern unsere vielfältige Kulturszene und unterstützen sie bei der
Vermarktung.
- fördern den Radtourismus durch den Ausbau von Ladeinfrastrukturen für E-
Bikes und die Pflege und den Ausbau der touristischen Radrouten im
Regionalverband.
- fördern die Vermarktung des Regionalverbandes als Bestandteil einer
grenzüberschreitenden Tourismusregion mit Partnern in Frankreich und
Luxemburg.